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Die Verbindung von aufklärerischer Vernunft und Wissenschaft

René Descartes

„Erst Descartes gelingt... die befreiende historische Tat. Denn er übernimmt nirgends bloße Resultate, sondern er verkörpert in sich wieder die Urkraft des philosophischen Denkens. ... Die Cartesische Methode und das Cartesische System sind nichts anderes als die Aufweisung und Begründung dieser neuen Form. Der Gedanke der Mathesis universalis, wie er Descartes an seiner ersten großen Entdeckung, am Beispiel der analytischen Geometrie aufgeht, ist das gemeinsame Band, das alle Teile der Cartesischen Philosophie miteinander verknüpft und das sie zu einer untrennbaren Einheit zusammenschließt.“

Ernst Cassirer: Descartes, in: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Band IV, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1995, S. 21.

„Schwerlich aber wird man, einmal aufmerksam gemacht, verkennen können, dass Descartes’ Standpunkt in den ‚Regeln‘ der des so definierten Kriticismus ist, oder doch ihm äussert nahekommt, näher wenigsten als irgend ein anderes Werk der neueren Philosophie vor Kant. Unter den Alten hatte bereits Sokrates und (in einem bestimmten Stadium seiner Philosophie) Platon sich demselben Standpunkt genähert, deren Vorbild Descartes sichtlich vor Augen stand.“

Paul Natorp, Die Entwicklung Descartes’ von den „Regeln“ bis zu den „Meditationen“, Archiv für Geschichte der Philosophie, Band 10, Berlin 1897 (Hrsg. Ludwig Stein) S. 10.

„Nun ist aber von Descartes die Verallgemeinerung der Regel und die Objektivierung des Kriteriums in dem Cogito ergo sum, in dem Selbstbewußtsein, vollzogen worden. Dadurch ist eine doppelte Richtung von Descartes eingeführt. (…) Das Cogito ist der Ausdruck des Kriteriums. Mit dem Cogito, in welchem das sum liege, war also nach Platonischer Forderung das reine, das dem Kriterium gerechte Denken zum höheren und umfassenden Princip der Gewissheit gemacht (…) Das Angeborene, das Princip, das Kriterium ist die Essenz des Geistes, ist die Substanz des Denkens.“

Hermann Cohen, Kants Theorie der Erfahrung, Berlin 1885, S. 31f.

„Wer mit Descartes' Schriften nur wenig mehr als oberflächlich vertraut ist, hat größte Mühe, in dem ‚sceptischen Idealism‘, der mit dem vierten Paralogismus zur Widerlegung präpariert wird, einen, wie es in den Prolegomena heißt, ‚Cartesianischen Idealism‘ zu erkennen. Denn Descartes hat ‚das Dasein der Materie‘ nicht nur nicht geleugnet, er hat es anders als der ‚sceptische Idealist‘ bei Kant auch keineswegs für ‚unerweislich‘ gehalten. (...) Soweit es um die Widerlegung eines eigentlich so zu nennenden ‚sceptischen Idealismus‘ ging war Descartes also nicht Kants Opponent, sondern eher sein Konkurrent.“

Hans-Peter Schütt, Kant, Cartesius und der ‚sceptische Idealist‘, in: Andreas Kemmerling / Hans-Peter Schütt (Hrsg.), Descartes nachgedacht, Vittorio Klostermann Verlag, FfM 1996, S. 176, 179.

„Hingegen wird in einer anderen Schrift, den ‚Regulae ad directionem ingenii‘, nicht allein der Begriff der Wissenschaft der menschlichen Intelligenz, welche allem sonstigen Wissen voraufgehen und von welcher alles andere Wissen seine Gewissheit ableiten soll, mit völliger Klarheit aufgestellt, sondern auch so wesentliche Fundamente dieser Wissenschaft gelegt, dass die Meinung, welche in Descartes einen der ersten Vertreter des von Kant verurteilten Dogmatismus sieht, dadurch gänzlich über den Haufen geworfen wird.“

Paul Natorp, Descartes' Erkenntnistheorie, Eine Studie zur Vorgeschichte des Kriticismus, Marburg 1882, S. 1f.

„Zum Initiator des modernen Rationalismus wurde Descartes durch die ‚Herstellung einer epistemologischen Ordnung‘, die aus der Selbstgesetzgebung der Vernunft fließt. (...) Seine Physik steht im Zeichen der ‚Mathesis universalis‘, d. h. der Annahme, daß Natur und Mathematik gleich seien.“

Heinz Paetzold, Ernst Cassirer - von Marburg nach New York, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, S. 173. 

„ Indem ich mir dies ziemlich aufmerksam durch den Kopf gehen ließ, wurde mir schließlich deutlich, daß nur all das, worin Ordnung oder Maß untersucht wird, zur Mathematik gehört, und es nicht darauf ankommt, ob ein solches Maß in Zahlen, Figuren, Sternen, Tönen oder einem anderen beliebigen Gegenstand zu suchen ist, und daß es demnach eine allgemeine Wissenschaft geben müsse, die all das entwickelt, was bezüglich Ordnung und Maß, noch ohne einem bestimmten Gegenstand zugesprochen zu sein, zum Problem gemacht werden kann, und daß sie mit einem gar nicht weit hergeholten, sondern schon gewohnten und in Gebrauch befindlichem Namen als >Mathesis Universalis< bezeichnet wird, weil in ihr alles das enthalten ist, um dessentwillen andere Wissenschaften auch Zweige der Mathematik genannt werden.

René Descartes, Regeln zur Ausrichtung der Erkenntniskraft, Appendix, Meiner Verlag, Hamburg 1973, S. 173.

„So will Descartes unserer Erkenntnis eine unerschütterliche Grundlage verschaffen, deren Gewißheit nicht mehr nur Ausdruck einer subjektiven Überzeugung ist, sondern schlechthin allgemein, für jedermann - sofern er nur überhaupt ernstlich mit ihm nachdenken und sein Denken von den Sinnen und zugleich von allen Vorurteilen abwenden kann und will - eine zwingende Einsicht bezeuge, die jedem Zweifel standhält. (...) Dieser Gedanke einer denkend erzeugten Selbst- und Weltgewißheit hat die Philosophie seither nicht mehr losgelassen. Er hat der Philosophie ein neues Thema gegeben. Er hat die Philosophie verändert. Fortan ist es nicht mehr die Welt, sondern das Denken der Welt und schließlich das Denken des Denkens, was die Philosophie als bleibendes Generalthema all ihrer Untersuchungen in den Bann zieht.

Oswald Schwemmer, Die Philosophie und die Wissenschaften, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1990, S. 19.

„Diese Auseinandersetzung führte schließlich dazu, daß die Kirchenbehörden Descartes' Lehre als häretisch beurteilten und seine Schriften 1663 auf den Index der verbotenen Bücher setzten. Zu diesem kirchlichen Verbot kamen sehr früh staatliche Sanktionen hinzu. (...) 1671 wurde das Verbreiten Cartesischer Lehren an der Universität von Paris durch ein königliches Dekret untersagt. Kurz darauf wurde der Cartesianismus auch aus anderen französischen Universitäten verbannt.

Dominik Perler, René Descartes, München 2006, Verlag C. H. Beck, S. 250f.

„Als besonders verheerend stellte sich das negative Descartes-Bild heraus, das von G. Ryle in seinem einflußreichen Buch The Concept of Mind (1949 erschienen) geprägt wurde. Laut Ryle können wir erst dann einen korrekten Begriff des Geistes gewinnen, wenn wir uns vom "Cartesischen Mythos" befreien. (...) Ryles Descartes-Bild ist in der neueren Forschung zwar mehrfach als Karikatur entlarvt worden; der angebliche "Cartesische Mythos" stellt sich bei näherer Betrachtung als ein historiographischer Mythos heraus (vgl. zur neueren Diskussion Perler 1997). (...) Wenn die negative Rezeption teilweise auch unberechtigt ist und auf einer verzerrenden Lektüre beruht, hat sie doch das heutige Descartes-Bild maßgeblich geprägt.

Dominik Perler, René Descartes, München 2006, Verlag C. H. Beck, S. 257ff.

„Es kann sich in der Tat herausstellen, daß eine Variante von Descartes' Folgerungen nicht nur nicht lächerlich, sondern tatsächlich korrekt ist, wenn sie im wesentlichen in seinen Begriffen, und nicht in jenen der gegenwärtigen philosophischen Diskussion verstanden wird. Das heißt, es kann wahr sein, daß der Geist aufgrund seiner Beschaffenheit regelmäßige geometrische Figuren als >Exemplare< für die Interpretation der Erfahrung konstruiert; es ist sogar möglich, daß neuere neurophysiologische Forschung vorsichtige Erklärungsansätze dafür liefert, wie dies vonstatten geht...

Noam Chomsky, Regeln und Repräsentationen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1981, S. 44.

„Im Hinblick auf Descartes' Lehre von den eingeborenen Ideen meinte Lotze, sie begegnen uns bei jeder wissenschaftlichen Untersuchung, die sich auf Entscheidungsgründe der Beurteilung und Prinzipien von hinreichend garantierter Geltung stützt. (...) Dabei sei es weniger dringlich zu wissen, woher jene Voraussetzungen geistigen Arbeitens stammen, als sicher zu sein, daß man sich auf sie verlassen kann. Lotze pflichtete Descartes bei, daß es sich hierbei um einen ursprünglichen Besitz des menschlichen Geistes handele. Er sah mit dem Namen der eingeborenen Idee nicht etwa eine besondere Art der Vorstellung, sondern einen Ausdruck für die dem Geist eigene Natur, im Prozeß der Erfahrung zum Denken erweckt und dann stets genötigt zu sein, zuerst unbewußt, dann darauf reflektierend, bestimmte Gedankenverknüpfungen unfehlbar in sich zu entwickeln.

Reinhardt Pester, Hermann Lotze - Wege seines Denkens und Forschens, Königshausen & Neumann Verlag, Würzburg 1997, S. 242.

„Denn ich habe niemals schriftlich oder mündlich etwas davon gesagt, daß der Geist solcher eingeborener Ideen bedürfe, die etwas von seiner Fähigkeit zu denken Verschiedenes wären. Da ich aber bemerkte, daß es in mir gewisse Bewußtseinsinhalte gibt, die nicht von den äußeren Objekten, noch auch von der Bestimmtheit meines Willens ausgehen, sondern allein von der in mir vorhandenen Fähigkeit des Denkens, so habe ich die Ideen oder Begriffe, die die Formen der Bewußseinsinhalte sind, von den anderen d. h. von den anderswoher gekommenen und den gemachten, unterschieden und sie als eingeboren bezeichnet; in demselben Sinne, wie wir sagen, daß gewissen Familien die Großmut, anderen dagegen gewisse Krankheiten, wie die Gicht (...), eingeboren sind, nicht als ob deshalb die aus diesen Familien hervorgehenden Kinder an diesen Krankheiten schon im Mutterleibe litten, sondern weil sie geboren werden mit einer bestimmten Disposition oder Fähigkeit, sie sich zuzuziehen.

René Descartes, Bemerkungen René Descartes' über ein gewisses in den Niederlanden gegen Ende 1647 gedrucktes Programm, Anhang, in: Die Prinzipien der Philosophie, Meiner Verlag, Hamburg 1965, S. 292f.

„Die Methode und nicht, wie man immer noch gern sagt, der Zweifel, bestimmt daher Descartes' sachlichen Ausgangspunkt. Der Zweifel ist nur ein Mittel, um des Begriffs der Methode habhaft zu werden. Sie ist gewonnen, wo jener aufhören muß: im Bereich objektiver Evidenz, in der lückenlosen Ableitung der Einsichten aus Prinzipien. Der Denker umschreibt damit den Begriff der Mathematik. Denn in ihr verwirklicht sich ihm das Ideal aller Erkenntnis; an ihr stößt der Zweifel auf seine nächste unübersteigbare Schranke. (...) Geometrie vor allem muß von allen Erfahrungsbezügen befreit werden. Dies geschieht durch die Bindung an die algebraische Analysis. Sie führt zu jener ‚wahren Mathese‘, die als Universalwissenschaft von Ordnung und Maß alle möglichen Ordnungsbestimmtheiten beherrscht. Damit war die Idee einer Mathesis universalis, die erst die mathematische Analysis krönen sollte, gewonnen.

Richard Hönigswald, Geschichte der Erkenntnistheorie, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1966 (1933), S. 91.

„Was Descartes' ‚Meditationen‘ in erster Linie erweisen wollen, ist eben dies: daß der Gedanke der Ding-Identität und der Ding-Konstanz keineswegs als solcher in den bloßen sinnlichen Daten der Wahrnehmung, in den Qualitäten der Farbe und des Tones, des Tastsinnes oder des Geruchs und Geschmacks, beschlossen liegt, sondern daß er zu ihnen erst sekundär, erst durch logische Reflexion, hinzugebracht wird. Erst indem wir die ‚eingeborene Idee‘ der Substanz auf die mannigfaltigen und an sich völlig disparaten sinnlichen Phänomene anwenden, gewinnen wir die Anschauung von einem identischen und beharrlichen Gegenstand, auf den diese Phänomene sich beziehen, und dessen Bestimmungen und Eigenschaften sie darstellen.

Ernst Cassirer, Die Philosophie der symbolischen Formen, Band III, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1982, S. 148.

„Und so erkenne ich das, was ich mit meinen Augen zu sehen vermeinte, einzig und allein durch die meinem Geist innewohnende Fähigkeit zu urteilen.“

René Descartes, Zweite Meditation, Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, Meiner Verlag 1972, S. 25.

„Descartes hat also, um möglichst vorsichtig bei der Erkenntnis der Dinge vorzugehen, versucht: 1. alle Vorurteile abzulegen; 2. die Grundlagen zu finden, auf denen alles zu errichten ist; 3. die Ursache des Irrtums zu entdecken; 4. alles klar und deutlich einzusehen.

Baruch Spinoza, Descartes' Prinzipien der Philosophie auf geometrische Weise begründet, Meiner Verlag, Hamburg 1987, S. 11.

Descartes´ Regulae ad directionem ingenii‘ und sein ‚Discours de la Méthode‘ suchen eine streng-universalistische Weltanschauung zu begründen - eine Anschauung, die keineswegs von den Teilen zum Ganzen, sondern vom Ganzen zu den Teilen geht. Die ‚Regulae‘ beginnen damit, die herkömmliche Ansicht zu bekämpfen, die das Wissen zerstückelt und die da glaubt, daß man wahres ‚Wissen‘ dadurch erreichen könne, dass man es stückweise aus seinen Teilen zusammensetzt. Die Erkenntnis ist eine unteilbare Einheit, so wahr der Intellekt, aus dem sie entspringt, eine solche Einheit ist. (...) Es muß daher eine echte Universalwissenschaft, eine ‚Mathesis universalis‘ geben, die allen besonderen Wissenszweigen und Wissensrichtungen zugrunde liegt. Von ihr, nicht von den einzelnen Objekten des Wissens, müssen wir ausgehen, wenn wir ein sicheres und unerschütterliches Fundament der Erkenntnis gewinnen wollen.“

Ernst Cassirer, Zur modernen Physik (1937), Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1987, S. 306.

„Der transzendentale Charakter der Regulae liegt in der den dogmatischen Realismus überwindenden erkenntniskritischen Einsicht, daß die rationale Analyse der sachlichen Verschränkung und Einheit von subjektivem und objektivem Erkenntnismoment mit der Betrachtung des akthaften Momentes, der Erkenntniskraft, zu beginnnen hat, weil sich in ihr sowohl die Einheit als auch die Selbstreflektivität ausdrückt. Descartes darf als der erste Denker gelten, bei dem der transzendentallogische Vorrang des Sich-Wissens des Intellekts vor der Erkenntnis der objektiven Dingwelt die systematische Gesamtkonzeption schon im Ansatz entscheidend mitbestimmt. Die Erkenntniskraft (ingenium) ist eine und die selbe, differenziert sich aber in verschiedene Handlungsarten, die man >Vermögen< nennen kann. (...) Es ist die eine Erkenntniskraft, die gemäß ihrer verschiedenen Funktionen einmal reiner Verstand‚ (intellectus purus), einmal Einbildungskraft (imaginatio), einmal Gedächtnis (memoria), einmal Sinn (sensus) genannt wird.“

Michael Gerten, Wahrheit und Methode bei Descartes, Meiner Verlag, Hamburg 2001, S. 103. 

"René Descartes, perhaps the most influential of modern philosophers. It is now difficult to escape from his duality of mind and matter, which permeates almost all modern thought in psychology. He clearly described perceptual size and shape constancy, long before they were studied experimentally."

Richard L. Gregory, Eye and Brain, Princeton, Princeton University Press, 1997, S. 224.

„Betrachten wir einmal Descartes Begründung angeborener Ideen im Bereich der Wahrnehmung. Descartes argumentiert in der Dioptrik, daß es nicht nötig ist anzunehmen, daß irgend etwas Materielles von den Gegenständen in unser Auge kommt, um uns Farbe und Licht sehen zu lassen. Ja es braucht an den Gegenständen nichts zu geben, was unseren Vorstellungen oder Wahrnehmungen, die wir von ihnen haben, ähnlich ist. (...) Die Erfahrung entspricht unserer Erkenntnisweise, wie Descartes unmittelbare Nachfolger und später Kant sagen sollten. Diese Erkenntnisweise muß nach Descartes solche angeborenen Ideen wie geometrische Figuren und alle ‚allgemeinen Begriffe' enthalten, da der Reiz nicht dem gleicht, was der Geist bei gegebener Reizung erzeugt. Wie er an anderer Stelle vorschlägt, halten wir ein vorgefundenes Dreieck für ein verzerrtes Dreieck und nicht für ein vollkommenes Exemplar eines Dreiecks, vermutlich, weil die Struktur des Geistes nach geometrischen Prinzipien organisiert ist. (...) Descartes' Argument beruht tatsächlich auf der Beobachtung, daß der Reiz nicht die Elemente enthält, die unser Wissen ausmachen, auch wenn er veranlassen kann, daß der Geist eine Interpretation der Erfahrung im Rahmen konzeptueller, aus seinen eigenen internen Anlagen stammenden Strukturen erzeugt. ‚Das Buch der Natur kann nur von einem geistigen Auge gelesen werden', wie Cudworth schrieb.“

Noam Chomsky, Regeln und Repräsentationen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1981, S. 41f.

„Wahrheit kann nicht ‚gemacht‘ werden, denn sie ist schon vor diesem Unternehmen präsent. Sie leuchtet als jenes ‚lumière naturelle‘, das das Sehen erst ermöglicht und ist in allen Menschen dasselbe. Irrtum kann es allein in der Erkenntnis geben, die das ursprüngliche Wissen sekundär einholt, und zwar immer dann, wenn sich falsche Ansichten über die Wahrheit legen und damit die Einsicht in diese trüben oder versperren. Organ der Einsicht ist das ursprüngliche Wissen der Intuition (...) die dem Verstand eingeborenen Elemente der Wahrheit. Mit der Intuition hebt alle philosophische Erkenntnis an, aus zwei Gründen, die aufeinander verweisen. Vom Akt her gesehen ist die Intuition die einfachste, nicht weiter rückführbare Erkenntnisweise. Zugleich ist das Objekt, das in diesem Akt ergriffen wird, der schlechthin erste und vorraussetzungslose, aber alle übrigen begründende ‚Gegenstand‘, d. h. das ursprüngliche Wissen. (...) Was wir an Wahrheit erfassen, gewinnen wir aus dem eingeborenen Wissen des Verstandes, dessen Einsicht in sich selbst daher die erste Intuition überhaupt ist.“

Detlef Mahnke, Der Aufbau des philosophischen Wissens nach Descartes, Verlag Anton Pustet, München 1967, S. 76.

„Im Gegenteil aber kann ich mir kein körperliches, d. h. ausgedehntes Ding denken, das ich nicht in Gedanken unschwer in Teile teilen... könnte, und das alleine würde hinreichen, mich zu lehren, daß der Geist vom Körper gänzlich verschieden ist, wenn ich es noch nicht anderswoher zur Genüge wüßte.

René Descartes, Sechste Meditation, Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, Meiner Verlag 1972, S. 74.

Intuition und Deduktion sind die Grundmittel des Geistes, die der Beginn des Werkes (Descartes' Regulae ad directionem ingenii) als die ersten und unumgänglichen Erfordernisse jedes echten Wissens hinstellt. (...) Alles Wissen muß von dem Einfachen zum Zusammengesetzten, von den Ursachen zu den Wirkungen fortschreiten. Die Erfahrung vermag uns über die Natur eines verwickelten und komplexen Vorgangs niemals vollständig aufzuklären. (...) Was das Licht ist - ob es in Wirklichkeit nur in einer Bewegung besteht oder nicht: das brauchen wir nicht zu fragen; genug daß diese Annahme hinreicht, alle seine tatsächlichen Eigenschaften und alles seine durch Beobachtung feststellbaren Merkmale vollständig abzuleiten. Wir sehen, wie das Verhältnis zwischen Erfahrung und Denken sich schon hier näher bestimmt und geklärt hat. Die Erfahrung ist als Kontrolle jeder wissenschaftlichen Annahme anerkannt.“

Ernst Cassirer, Descartes, in: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Band I, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1995, Darmstadt 1995, S. 471f., zitiert: René Descartes, Regeln zur Ausrichtung der Erkenntniskraft (Regulae ad directionem ingenii), Meiner Verlag, Hamburg 1973.

Descartes entdeckt das bisher Unentdeckte und doch ganz Unentbehrliche: den Begriff des Subjekts. Das Subjekt ist - gegenüber allem Denkbaren und Gedachten - das Denkende. Es ist das, was in die formale Gestalt der Urteile und Urteilsgefüge nicht eingeht und doch gerade ihr Prinzip ist: es ist das Urteilende selbst, das, was die Urteile ‚macht‘ und sie gültig ‚machen‘ muß, wenn sie überhaupt je gültig sein sollen. Descartes entdeckt das Subjekt als Prinzip der Wahrheit. Das ego ist das subiectum veritatis, und als dieses ist es Subjekt.“

Karl Wagner, Kritische Philosophie, Königshausen & Neumann Verlag, Würzburg 1980, S. 45.

„Diesem Ideal steht in Descartes das Pythagoreisch-Demokritische, das mathematische Ideal der Naturerkenntnis gegenüber. Alle Qualitäten des Seins sind in Materie und Bewegung, die Materie selbst aber in reine Ausdehnung aufgelöst (apud me omnia sunt mathematice in natura). Und hinter der geometrischen Ausdehnung steht nun wieder der reine ursprüngliche Pythagoreische Begriff der Zahl - denn durch die analytische Geometrie scheinen die Raumunterschiede selbst in Zahlenunterschiede aufgehoben und aufgelöst. Damit ist Philosophie zur mathematischen Physik und andererseits die Physik zur Philosophie geworden. Descartes' Hauptwerk vereint unmittelbar beides: der weitaus grösste Teil des Werkes, dem Descartes den Titel ‚Principia Philosophiae‘ gegeben hat, behandelt die Prinzipien der Physik, d.h. die mechanische Ableitung und Erklärung alles Geschehens aus der blossen Ausdehnung, Gestalt und Bewegung.

Ernst Cassirer, Die philosophischen Probleme der Relativitätstheorie, in: Nachgelassene Manuskripte und Texte, Band 8, Hrsg. von K. Ch. Köhnke, J. M. Krois, O Schwemmer; Vorlesungen und Vorträge zu philosophischen Problemen der Wissenschaften 1907-1945. Hrsg. J. Fingerhut, G. Hartung, R. Kramme, Meiner Verlag, 2010, S. 35f.

„The second part of Descartes's theory of the self (that he is not extended, is numerically distinct from his body, and capable of existing apart from his body...) is more radical than the first (that he is a substance, essentially thinking but not essentially extended) and far more radical than his views on self-knowledge... Nonetheless, Descartes derives the second part from the first part, and the first part from his theory of self-knowledge. He does so without the blunders so often attributed to him. He does not beg the question, misapply the principle of the indicernibility of identicals, or incorrectly infer de re propositions from de dicto counterparts. His reasoning is impeccable; his assumptions are not outragious... Descartes's development of his theory of the self is a fine example of how a moderate, at base almost commonsensical, philosophical position can be radicalized.

Peter J. Markie, Descartes's Gambit, Cornell University Press 1986, Ithaka / London, p. 269.

"Disagreement on this point has come from those who have not done their philosophizing in an orderly way; and the reason for it is simply that they have never taken sufficient care to distinguish the mind from the body. Although they may have put the certainty of their own existence before that of anything else, they failed to realize that they should have taken 'themselves' in this context to mean their minds alone. They were inclined instead to take 'themselves' to mean only their bodies - the bodies which they saw with their eyes and touched with their hands, and to which they incorrectly attributed the power of sense-perception; and this is what prevented them from perceiving the nature of the mind."

René Descartes, Principles of Philosophy, in: The Philosophical Writings of Descartes, Volume 1, translated by John Cottingham, Robert Stoothoff, Dugald Murdoch, Cambridge University Press, 2009, Part one, § 12., p. 196f. 

„Die Form dieser Denkkraft wird hierbei von Descartes in derselben Weise wie von den Begründern der modernen Naturwissenschaften bestimmt. Sie stellt sich in den Begriffen von Größe und Zahl dar: den einzigen, die der denkende Geist nicht von der äußeren Wirklichkeit zu entlehnen braucht, sondern die er rein und ursprünglich in sich vorfindet. (...) So wird für die neue Wissenschaft und für die neue Philosophie die ‚Mathesis Universalis‘, die Universalmathematik zum Muster und Prototyp des Wissens überhaupt. Descartes hat den Begriff dieser Universalmathematik bereits aufs klarste bestimmt und ihr Ideal aufs Schärfste gezeichnet, wenngleich es erst der Folgezeit vorbehalten war, sie inhaltlich zu vollenden. Sie ist ihm die allgemeine Wissenschaft von Ordnung und Maß, deren Regeln sich a priori entwickeln lassen und aus deren Umkreis nichts Wirkliches herausfallen kann, sofern es selbst ein Geordnetes und Meßbares ist.“

Ernst Cassirer, Die Einheit der Wissenschaft, Erster Vortrag, in: Nachgelassene Manuskripte und Texte, Band 8, Hrsg. von K. Ch. Köhnke, J. M. Krois, O Schwemmer; Vorlesungen und Vorträge zu philosophischen Problemen der Wissenschaften 1907-1945. Hrsg. J. Fingerhut, G. Hartung, R. Kramme, Meiner Verlag, 2010, S. 121f.

"Although Descartes is often called the 'father of modern philosophy', he has been attacked, reviled, and condemned like no other thinker for most of the last 350 years. Even Pope John Paul II has recently felt the need to criticize him. Refutations continue to pile up. European philosophy is haunted by Descartes and his ideas. One of his most important ideas is his rationalism, that is, that the human mind makes a major contribution to knowledge by means of innate ideas. The mind is understood to be structured by a range of principles which are not derived from sense experience (…) Rationalism is usually taken to stand in Opposition to empiricism, the view that all our knowledge is derived from sense experience. Empiricism generates a very different theory of human nature. These two different doctrines about human nature generate considerable controversy, much of it both fierce and bitter."

Harry M. Bracken, Descartes, Oneworld, Oxford 2002

„Der Begriff des ‚Eingeborenen‘ aber besitzt in der Philosophie Descartes' eine doppelte Bedeutung. Er wird im weiteren Sinne für jeglichen Inhalt des Bewußtseins überhaupt gebraucht: denn um bewußt zu werden, setzt dieser Inhalt niemals einen bloßen Eindruck, der von außen auf uns geübt wird, sondern eine selbständige seelische Tätigkeit voraus. In diesem Sinne müssen auch die Vorstellungen der Farben und Töne, ja die der Lust und des Schmerzes eingeboren heißen; denn in ihnen stellt sich nicht das objektive Wesen der Dinge, sondern eine eigentümliche Reaktion der Seele auf einen äußeren Reiz dar. (...) Die Bewegungen, die von außen her unsere Sinnesorgane treffen, haben sämtlich eine fest begrenzte, individuelle und besondere Natur: aus ihnen können also ebensowenig die universalen logischen und wissenschaftlichen Grundsätze, wie die reinen, mathematischen Begriffe entspringen, wenn wir dem Denken nicht eine ursprüngliche Fähigkeit zusprechen, das Mannigfache und das Getrennte zu einer Einheit zusammenzufassen. Die allgemeinen Gedanken von Ausdehnung, Gestalt und Bewegung gehen als Norm und Maßstab des Sinnlichen voran. Wir tragen ‚in uns selbst die reinen Grundbegriffe, die als die Originale anzusehen sind, nach deren Muster wir all unsere anderen Erkenntnisse bilden.‘“

Ernst Cassirer: Descartes, in: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Band IV, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1995, S. 461f.

„Erstens betont Descartes, daß zwischen den Hirnmustern (mögen sie nun ‚Bilder‘ oder ‚Figuren‘ genannt werden) und den äußeren Gegenständen keine Ähnlichkeitsrelation vorliegt: ‚Wir müssen zumindest festhalten, daß es keine Bilder gibt, die vollständig den Gegenständen gleichen müssen, die sie repräsentieren; andernfalls gäbe es keinen Unterschied zwischen dem Gegenstand und seinem Bild (...) Zweitens weist Descartes darauf hin, daß das Gehirn keineswegs eine Art von innerer Leinwand ist, auf der Bilder gemalt sind. Gäbe es nämlich solche Bilder, müßte es zusätzlich zu den äußeren Augen ‚andere Augen in unserem Gehirn‘ geben, die diese Bilder betrachten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wir verfügen nur über die äußeren Augen, die von den äußeren Gegenständen (bzw. von den Lichtstrahlen, die von den äußeren Gegenständen reflektiert werden) gereizt werden und diese Reizung an das Gehirn weiterleiten. Auch hier gilt wieder: Aus der Tatsache, daß eine Kausalrelation zwischen dem äußeren Gegenstand und einem Hirnmuster vorliegt, darf keineswegs geschlossen werden, daß es im Hirn Abbilder und so etwas wie einen inneren Betrachter für diese Abbilder gibt. Drittens schließlich verdeutlichen Descartes’ Ausführungen in den Regulae, daß er unter den images im Gehirn keineswegs Bilder im wörtlichen Sinn versteht. (…). Entscheidend ist dabei, daß die Figur für Weiß nicht selber weiß ist oder irgendwie der Farbe Weiß gleicht. Sie ist vielmehr eine Art Code für Weiß, und zwar ausschließlich für Weiß. Für jede wahrnehmbare Eigenschaft gibt es einen ganz bestimmten Code. Somit ist eine Figur oder ein ‚Bild‘, …nichts anderes als ein komplexer Code, der sich aus den Codes für die einzelnen wahrgenommenen Eigenschaften dieses Gegenstandes zusammensetzt.“

Dominik Perler, Repräsentation bei Descartes, Frankfurt/M. 1996, S. 28f.

"Intellectual intuition, on the other hand, is a purely spiritual activity, an activity of the understanding alone, exercised on a special kind of object. It is an intellectual 'seeing', a visio, and has a certainty peculiar to itself. To see intellectually, to inuit the truth, to see, for instance, that selfconsciousness and existence are necessarily implied in each other, is to see once for all in a manner which leaves no room for change or view or doubt of any kind. To intuit a truth is to know that truth with absolute certainty and infallible assurance, and this certainty and assurance spring positively from the very nature of mind itself, the natural light of reason. The two main characterstics of intellectual intuition are therefore, first, the purely spiritual or intellectual nature of the operation itself and, secondly, the absolute certainty and assurance which accompany it."

L. J. Beck, The Method of Descartes - A Study of the Regulae, Clarendon Press, Oxford 1952, p. 53.

„Descartes geht nicht, wie Aristoteles mit seinen Kategorien, auf ursprüngliche Bestimmungen des Seins, er geht auch nicht, wie Kant mit seinen Kategorien, auf die Bestimmungen des Denkens (im engeren Sinne) aus, sondern auf erste Bestimmungen des Vorstellens. Die ursprünglichen Notionen sind Grundweisen des Vorstellens, die unser Geist ‚von Natur aus‘, d. i. in seiner Grundverfassung hat.“

Reinhard Lauth, Descartes' Konzeption des Systems der Philosophie, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart-Bad Cannstadt 1998, S. 17.

„Für Cassirer ist Descartes der Begründer der neuzeitlichen Wissenschaft, weil er eine erkenntnistheoretische Wende vollzogen hat, die die ‚moderne wissenschaftliche Denkart‘ begründet hat. Ihr Ausgangspunkt liegt in der analytischen Geometrie, denn die ‚Verschiedenheit der mathematischen Objekte ist aufzuheben in eine grundlegende Einheit der mathematischen Methode. Aus diesem Motiv heraus entdeckt Descartes den allgemeinen Begriff der Größe und in ihm die analytische Geometrie. (Ernst Cassirer, ECW 1, 22)“

Detlef Pätzold, Descartes, Kant und die Wandlungen des neuzeitlichen Naturbegriffs aus Cassirers kulturphilosophischen Perspektive, in: Christian Krijnen, Massimo Ferrari, Pierfrancesco Fiorato (Hrsg.), Kulturphilosophie, Probleme und Perspektiven des Neukantianismus, Königshausen & Neumann, Würzburg 2014, S. 163.

„Mit keinem Wort hat Descartes eine quantifizierende Mathematisierung aller Wissenschaften oder gar eine Mechanisierung der gesamten Wirklichkeit gelehrt. Obwohl ohne jede textliche Basis im Werk von Descartes, haben Fehlinterpretationen, die das Gegenteil behaupten, sich bis in die wissenschaftliche Sekundärliteratur und erst recht in der heutigen populären und feuilletonistischen >Tertiärliteratur< immer wieder durchsetzen und zu einer Aversion gegen die cartesische Methodologie und Philosophie beitragen können. Die Interpreten dieser Richtung unterstellen Descartes einen methodischen Reduktionismus, indem er entweder alle Erkenntnisgegenstände habe quantifizieren und so alles >berechenbar< machen oder durch eine Universalmethode im Sinne einer Gleichmacherei alle Besonderheiten der Wissensgegenstände und -gebiete habe einebnen wollen.

Michael Gerten, Wahrheit und Methode bei Descartes, Meiner Verlag, Hamburg 2001, S. 76.