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Die Verbindung von aufklärerischer Vernunft und Wissenschaft

Otto Liebmann

„Kant vereint in sich alle jene Eigenschaften, mit denen der wirklich große Philosoph ausgestattet sein soll: Tiefe und Größe der Auffassung, Klarheit und Schärfe des Denkens, Besonnenheit und Nüchternheit in der Ausführung und - was vor allem noth thut - Wahrhaftigkeit. Er ist eben so sehr Feind aller dunklen, phantastischen Scheinphilosophie, als jenes seichten, leicht zufriedengestellten Denkens, welches sich begnügt, die Oberfläche mit einem Netze von Nominaldefinitionen übersponnen zu haben, ohne daß es je in die Tiefe dringt, von der es keine Ahnung hat.

Otto Liebmann, Kant und die Epigonen, Stuttgart 1865, S. 9.

„Häufig wird der eigentliche Beginn des Neukantianismus auf das Erscheinen eines Buches datiert. 1865 veröffentlichte Otto Liebmann das Werk Kant und die Epigonen, eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Richtungen der nachkantischen Philosophie. Jeden Abschnitt in seiner Abrechnung mit der Philosophie nach Kant ließ Liebmann mit derselben stereotypen Floskel enden: ‚Also muß auf Kant zurückgegangen werden!‘“

Manfred Pascher, Einführung in den Neukantianismus, Wilhelm Fink Verlag UTB, München 1997, S. 33.

„Liebmann shot to fame in 1865 with the publications of his first book, Kant und die Epigonen. The book was a sensation, partly because of its lively and engaging style, partly because of its passionate stand on behalf of Kant. The young author, then twenty-five years old, preached that Kant was the be-all-and-end-all of philosophy - ‚the most important thinker of Christian humanity‘ - and that every attempt to go beyond him had ended in disaster. Fichte, Schelling, Hegel, Schopenhauer, Fries and Herbart - all these epigoni had failed to surpass Kant. The proper direction for philosophy was not forward beyond Kant but backwards towards him.“

Frederick C. Beiser, The Genesis of Neo-Kantianism 1796-1880, Oxford University Press, Oxford 2014, p. 287.

"His philosophical magnum opus was his Analysis der Wirklichkeit, published in 1876, which received three more editions, each time in increasingly expanded versions. His trademark, however, was the short, carefully crafted essay, in which he developed smaller points, rather than drafting grand systems. (...) Though he was influential as a teacher for, among others, Wilhelm Windelband and Bruno Bauch, Liebmann's overall oeuvre remained small, and he referred his students at all times to a thorough study of Kant's philosophy. Students remembered that each lecture was crafted 'like a small piece of art'. In this position as influential teacher, he has been described as 'the vanguard of the great army that has written the name 'Neo-Kantianism‘ on its flags', and he is recognized, in this sense, as someone who launched the two great schools of Neo-Kantianism in Southwest Germany and Marburg."

Sebastian Luft, The Neo-Kantian Reader, Routledge, London/NewYork 2015, p. 37.

„Der ruhig urteilende Zuschauer muß eingestehen, Darwin's Theorie klingt sehr einleuchtend. Sie liefert den längst vermißten Ariadnefaden in dem verwirrenden Labyrinth des organischen Gestaltenreichthums und befriedigt damit das Erklärungsbedürfniß des Verstandes in ungewöhnlichem Maße. (...) Wir erkennen in ihr ein regulatives, nicht constitutives Princip, das vermöge seiner die exacte Forschung so gewaltig anregenden Kraft mindestens problematische Anerkennung beansprucht... Die Controverse ‚Platon contra Darwin‘ ist unrichtig gestellt. Vielleicht handelt es sich für den Platonismus garnicht um die Frage nach der empirischen Wahrheit des Darwinismus. Vielleicht könnten beide ungestört neben einander bestehen.“

Otto Liebmann, Zur Analysis der Wirklichkeit, Verlag F. Trübner, Straßburg 1911, S. 349ff.

 

Biographie: https://www.deutsche-biographie.de/sfz70527.html

Bedeutende Werke: 
Kant und die Epigonen, Stuttgart 1865
Über den individuellen Beweis für die Freiheit des Willen, Stuttgart 1866
Über den objektiven Anblick, Wiesbaden 1869
Zur Analysis der Wirklichkeit, Strassburg 1876
Immanuel Kant, Straßburg 1904