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Die Verbindung von aufklärerischer Vernunft und Wissenschaft

Friedrich Albert Lange

„Ich halte das Hegelsche System für einen Rückschritt in die Scholastik, von dem wir thatsächlich bereits frei sind. Herbart, dem ich mich anfangs anschloss, war für mich nur eine Brücke zu Kant, auf den jetzt so manche gediegene Forscher zurückgehen, um das womöglich ganz zu thun, was Kant nur halb that: die Metaphysik zu vernichten. (...) Meine Logik ist die Wahrscheinlichkeitsrechnung, meine Ethik die Moralstatistik, meine Psychologie ruht durchaus auf der Physiologie; ich suche mit einem Worte mich nur in exakten Wissenschaften zu bewegen.

Friedrich Albert Lange, Brief an C. W. Kambli 1858, zitiert nach: Klaus Christian Köhnke, Entstehung und Aufstieg des Neukantianismus, Frankfurt/Main 1986, Suhrkamp Verlag, S. 233.

„Das Interesse an einer ‚Rückkehr zu Kant‘ wurde aber vor allem durch das Kant-Kapitel in F. A. Langes ‚Geschichte des Materialismus‚ gefördert, das in der 2. Auflage (1875) auch einen Hinweis auf eine ‚junge Schule von Kantianern im engeren und weiteren Sinne‘ enthielt, zu der Lange neben Otto Liebmann und Jürgen Bona Meyer vor allem Hermann Cohen sowie Emil Arnoldt und Carl Twesten zählte. Der Sache nach stellt er sich hinter die Erkenntnistheorie Kants, wobei er sich das Kantische Erkenntnis-Apriori mit dem sinnesphysiologischen Begriff der ‚Organisation‘ erschließt.“

Helmut Holzhey, Der Neukantianismus als historische Erscheinung, in: Helmut Holzhey, Wolfgang Röd, Geschichte der Philosophie Bd. XII, Die Philosophie des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts 2, München 2004, S. 33.

„It is at least plain and uncontentious that Lange belongs to the physiological-psychological tradition of the interpretation of Kant. Like Fries, Beneke and Helmholtz, he saw that interpretation as the only means of ensuring Kant's relevance in the modern scientific age. The physiological-psychological interpretation was for him nothig less than ‚improved and refinde Kantianism‘. Yet it would be a mistake to stuff Lange completely in this pigeon-hole, as if it exhausted his understanding of Kant. For Lange also transformed the Kantian dualism between the noumenal and phenomenal into a dualism between ideal and reality, norm and fact, value and existence. The distiction between entities became a distinction between logical types. We can already find in Lange the basis for the theory of value of the Southwestern school.“

Frederick C. Beiser, The Genesis of Neo-Kantianism 1796-1880, Oxford University Press, Oxford 2014, p. 356.

„Woher wissen wir, daß sich unsre Phantasiebilder von zwei geraden Linien genau ebenso verhalten, wie wirkliche Linien? Die Kantische Antwort lautet: Weil wir diese Übereinstimmung selbst herstellen; freilich nicht durch einen Akt unserer individuellen Willkür, sondern durch das Wesen unseres Geistes selbst, das sich in allen Vorstellungen mit dem von außen stammenden Eindruck verbinden muß. Die räumliche Anschauung mit den ihr notwendig zukommenden Grundeigenschaften ist ein Erzeugnis unseres Geistes im Akte der Erfahrung und eben deshalb kommt sie jeder überhaupt möglichen Erfahrung, wie jeder Anschauung der Phantasie gleichmäßig und notwendig zu.

Friedrich Albert Lange, Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart, Frankfurt/Main 1974, Suhrkamp Verlag, Band 2, S. 473.

„Sicher ist, daß Lange nicht dem Marburger Kantianismus im eigentlichen Sinne zuzurechnen ist. Wohl aber hat er ihm entscheidende Impulse vermittelt. Aus seiner ‚Geschichte des Materialismus‘ ist das antiobjektivistische Motiv über den Marburger Neukantianismus in die neukantianische Bewegung als ganze übergegangen...“

Hans-Ludwig Ollig, Der Neukantianismus, Stuttgart 1979, J. B. Metzler Verlag, S. 20.

„Wir sehen also hier wieder, wie die räumliche Anschauung, ganz wie in der Geometrie, die Apriorität und die Nothwendigkeit begründet. Zugleich kann man hier unmittelbar sehen, wie das Naturgesetz des Widerspruchs zum Normalgesetz wird. Die aus der Anschauung sich ergebende Unvereinbarkeit einer Ueberschreitung von M mit der Einhaltung der Grenzen von M ist noch eine unmittelbare Wirkung des Naturgesetzes. Dadurch dass der Versuch als typisch genommen und aus der Allgemeinheit die Regel gebildet wird, ergiebt sich das Normalgesetz. Man kann also behaupten, dass das logische Normalgesetz des Widerspruches aus der Anschauung hervorgeht, wie das Naturgesetz der Unvereinbarkeit des Widersprechenden aller Anschauung zu Grunde liegt. (...) Es ist auf dem Boden der Anschauung im Schema ein blosser Pleonasmus, wenn man sagt, dass der Widerspruch nicht bestehen kann; als ob hinter dem Grunde des Nothwendigen, noch einmal eine Nothwendigkeit steckte.

Friedrich Albert Lange, Logische Studien, Iderlohn 1877, S. 48f.

„Von der Konsequenz, Philosophie in Physiologie und Psychologie aufgehen zu lassen, ist Lange weit entfernt. Die Untersuchungen der Bedingungen und Grenzen menschlicher Erkenntnis im allgemeinen, die Feststellung eines Apriori der Erkenntnis als solchen, erkenntnistheoretische Fragen also, um hier nur von solchen zu reden, sind bleibende Aufgaben der Philosophie. Dabei ist der Philosoph auf die Kenntnis der Forschungsmethoden und wichtigsten Resultate der Wissenschaften angewiesen: ‚Die exakte Forschung ... muß für den Philosophen das tägliche Brot sein‘.“

Helmut Holzhey, Zum Verhältnis von Erkenntnistheorie und Sozialphilosophie bei F. A. Lange, in: J. H. Knoll, J. H. Schoeps, Friedrich Albert Lange - Leben und Werk, Walter Braun Verlag, Duisburg 1975, S. 211

 

Biographie: https://www.deutsche-biographie.de/sfz47906.html

Bedeutende Werke:
Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart, Iserlohn 1865
Logische Studien, Iserlohn 1877