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Die Verbindung von aufklärerischer Vernunft und Wissenschaft

Richard Hönigswald (1875 - 1947)

Foto Richard Hönigswald

„Nach Hönigswald ist es die Aufgabe der Philosophie als Erkenntnistheorie, die letztbegründende Ermöglichung aller Wirklichkeitserkenntnis aufzudecken. In diesem Zusammenhang spricht er von dem Gedanken der ‚Gegenständlichkeit‘. Diese erweist sich immer als eine zweipolige Problemstellung, nämlich den korrelativen Zusammenhang von Wirklichkeit und Erkenntnis, von gegebenem und erkanntem Gegenstand sowie erkennender und  sich selbst gegenwärtiger Monas zu bestimmen.“

Wolfdietrich Schmied-Kowarzig, Einleitung zu: Richard Hönigswald, Grundfragen der Erkenntnistheorie, Hamburg, Meiner Verlag 1997, S. XVII; - Vgl.: Wolfgang Marx: Grundlagen und Aktualisierungsmöglichkeiten der Systematik Hönigwalds, Erkennen - Monas - Sprache 1997, Königshausen & Neumann.

Die Hönigswaldsche Philosophie gestaltet sich nicht zu einem ‚System‘, sondern zu einer problemorientierten ‚Systematik‘, zu einer - wie Hönigswald selbst im Titel eines Nachlaßwerkes bekundet - aus „individueller Problemgestaltung entwickelt[en] Systematik der Philosophie“.  Die Grundstruktur dieser Systematik läßt sich am ehesten am Bild einer Ellipse verdeutlichen, insofern das Denken Hönigswalds gleichsam um zwei ‚Brennpunkte‘ zentriert ist: um das Problem des ‚Gegebenen‘ und um das Problem einer ‚Allgemeinen Methodenlehre‘, die letztlich auf alle Objektivationen des Geistigen ausgreift. Diese Systematik erwächst aus dem Versuch einer korrelativistischen Bewältigung des Affinitätsproblems; sie erwächst aus der Korrelativsetzung zweier Grundprobleme, anhand derer sich zudem präzise Abstand und Nähe Hönigswalds zu seinem Lehrer Alois Riehl bestimmen lassen. Diese beiden Grundprobleme (das Problem des ‚Gegebenen‘ und das Problem einer ‚Allgemeinen Methodenlehre‘) erwachsen nämlich ihrerseits aus der Problematisierung der zwei Eckpfeiler (des realistischen und des wissenschaftstheoretischen) auf denen der philosophische Kritizismus Alois Riehls ruht; aus einer Problematisierung, die sich daraus ergibt, daß Hönigswald das schlichte Nebeneinander beider Ansätze in eine strenge Wechselbezüglichkeit transformiert. Hönigswald führt damit den realistischen Kritizismus seines Lehrers Riehl weiter, er schärft und vertieft ihn damit jedoch zugleich in Auseinandersetzung mit dem Marburger und Südwestdeutschen Neukantianismus.

Kurt Walter Zeidler, Richard Hönigswald, Biographie, Kurzdarstellung, Literatur: http://phaidon.philo.at/asp/rhonigswald.htm#ll 

„Wenn man insgesamt Hönigwalds Beziehungen zu Kant und Leibniz vergleicht, wird man das folgende wohl sagen dürfen: Kant war für Hönigswald in allen Phasen der herausragende Lehrer. Das zeigt sich auch darin, daß Hönigswald in expliziten und impliziten Auseinandersetzungen mit den Neukantianern (Riehl, Rickert, Natorp, Cassirer, Bauch) fast immer für den historischen Kant Partei nahm. Von Leibniz hingegen lernte er nicht wirklich. Dazu war sein Leibniz-Studium wohl auch nicht ausgedehnt genug. Bei Leibniz sah Hönigswald das Verwandte. Der Grundgedanke der Monadologie gab ihm die Möglichkeit, Ich-Theorie und Nicht-Ich Theorie aneinander zu binden und in einer Grundlehre zu verschmelzen.

Gerd Wolandt, Idealismus und Faktizität, De Gruyter Verlag, Berlin / New York 1971, S. 54.

„Im Sinne dieser Betrachtungsweise kann von einer absoluten ‚Materie‘ der Erkenntnis, die der logischen Funktion schlechthin fremdartig gegenüberstände, nicht die Rede sein: denn schon indem wir aussagen, daß es eine solche Materie ‚gibt‘, haben wir ihr in dieser Aussage das Gepräge logischer Bestimmung, und zwar das Grundgepräge jeder solchen Bestimmung überhaupt verliehen. ‚Nur im Hinblick auf den Objektgedanken kann von einem >Dasein<  der Wirklichkeit gesprochen werden‘. Dieses >Dasein< schließt mit anderen Worten immer bereits die Beziehung auf die fundamentale Funktion des Bestimmens selbst in sich; es ist, wo nicht Bestimmtheit, so doch prinzipielle Bestimmbarkeit in Hinsicht auf gewisse Grundordnungen und Grundrelationen des Begreifend überhaupt. So bestreitet Hönigswald denn auch jeder Einzelwissenschaft den Anspruch, die ‚Wirklichkeit‘ als feststehendes, vor aller methodologischen Besinnung gegebenes Datum widerzugeben. Jede Einzeldisziplin bestimmt, was für sie als wirklich gilt, vielmehr erst durch den besonderen methodischen Gesichtspunkt, von dem aus sie ihre Betrachtung anstellt.

Ernst Cassirer, Erkenntnistheorie nebst den Grenzfragen der Logik, Jahrbücher der Philosophie 1, Berlin 1913, S. 17f. Cassirer zitiert Hönigswald aus: Richard Hönigswald, Zur Wissenschaftstheorie und -systematik, Kant-Studien XVII (1912) S. 71ff.

https://www.deutsche-biographie.de/sfz32869.html#ndbcontent

Kurt Walter Zeidler, Richard Hönigswald - Ein Unbekannter: http://phaidon.philo.at/asp/rhu.html

Wolfdietrich Schmied-Kowarzik Universität Kassel: Annäherungen an Hönigswalds transzendentalanalytische Systematik der Philosophie:   https://kobra.uni-kassel.de/bitstream/handle/123456789/2008092223924/Hoenigswald.html;jsessionid=91DA42F4BDBBAD09C40DE67199BDB5D5

Meiner Autorenportraithttps://meiner.de/autoren/richard-honigswald-a01

Bedeutende Werke:

Über die Lehre Hume's von der Realität der Aussendinge. Eine erkenntnistheoretische Untersuchung. Berlin 1904
Beiträge zur Erkenntnistheorie und Methodenlehre, Breslau 1906
Zum Streit über die Grundlagen der Mathematik. Heidelberg 1912.
Die Skepsis in Philosophie und Wissenschaft, Göttingen 1914
Die Grundlagen der Denkpsychologie, Leipzig 1921
Hobbes und die Staatsphilosophie. München 1924
Die Philosophie der Renaissance bis Kant, Leipzig 1923
G. W. Leibniz, Tübingen 1928
Grundfragen der Erkenntnistheorie, Tübingen 1931
Geschichte der Erkenntnistheorie, Berlin 1933
Philosophie und Sprache, Basel 1937 
Grundprobleme der Wissenschaftslehre. Über die Struktur der Physik. Bouvier Verlag, Bonn 1965
Die Grundlagen der allgemeinen Methodenlehre, Band I & II, Bonn 1969, 1970

Die Systematik der Philosophie. Aus individueller Problemgestaltung entwickelt, Bonn Band I & II, 1976, 1977